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Dienstag, 5. Juli 2011

Erinnerungsabzeichen an die Märzkämpfe 1921 um Leuna-Kröllwitz


In der DDR wurde jährlich zur Erinnerung an die Märzkämpfe ein Abzeichen herausgegeben. Dank der Hilfe eines Vereinsmitgliedes konnte unsere Sammlung im DDR-Kabinett-Bochum umfangreich ergänzt werden.

Zum Hintergrund habe ich einen Artikel aus dem Jahr 2001 aus junge Welt
mit eingestellt.

junge Welt, 24. März 2001:
Blutige Osterwoche im Mansfelder Land
Von Stefan Weber
Am 19. März 1921 startete unter den Decknamen »Kohlensache« und »Frühjahrsreise« eine von langer Hand vorbereitete Aktion der Schutzpolizei. Schupo- Hundertschaften besetzten Eisleben, Hettstedt, Schafstedt, Teutschental und Ammendorf, in den folgenden Tagen auch Mücheln, Nebra, Laucha und Schraplau. Weitere  erhielten ihren Einsatzbefehl, so daß bald 39 Hundertschaften, bis an die Zähne bewaffnet, verstärkt durch  Reichswehr-Artillerie, Minenwerfer und Panzerautos im Regierungsbezirk Merseburg (etwa identisch mit dem späteren DDR-Bezirk Halle) operierten. Als Begründung hatte der Oberpräsident der preußischen Provinz  Sachsen, Otto Hörsing (SPD), in einem Aufruf an die Bevölkerung angegeben, es solle ein dauernder Unruheherd  befriedet werden, in dem »wilde Streiks, Raub und Plünderungen« Tag für Tag stattfänden, Industrie und  Landwirtschaft »ein ungeheurer Schaden durch Banden- und Einzeldiebstähle zugefügt« werde. Vergeblich  versuchte Hörsing später, für diese Beschuldigungen schlüssiges Beweismaterial aufzutreiben.
Der Arbeiterschaft war es in diesem Bezirk bis Anfang 1921 gelungen, Angriffe der Konterrevolution 1919/1920  abzuwehren und erkämpfte Rechte zu verteidigen. Sie war stark linksorientiert. Bei den preußischen  Landtagswahlen vom 20. Februar 1921 erhielten die Vereinigte Kommunistische Partei Deutschlands (VKPD),  wie sich die KPD nach dem Zusammenschluß mit dem linken Flügel der USPD (Unabhängige  Sozialdemokratische Partei Deutschlands) zeitweilig nannte, 197 113 aller Stimmen (29,8 Prozent) im Bezirk, die  SPD 70 340 und die USPD 74 754 Stimmen. Anfang 1921 hielten die Konzernherren den Zeitpunkt für  gekommen, die Kampfkraft der Arbeiter zu brechen. Ihren Forderungen nach durchgreifender staatlicher Hilfe kamen der preußische Innenminister Carl Severing (SPD) und Otto Hörsing bereitwillig nach. Die Aktion wurde  vorbereitet, wobei man Warnungen, ein Polizeieinsatz könnte schwere Unruhen auslösen, ignorierte und keinen  Zweifel daran ließ, daß eine friedliche Aktion nicht angestrebt, sondern der bewaffnete Widerstand der Arbeiter  herausgefordert werden sollte. Parallel lief in der bürgerlichen Presse eine Rechtfertigungskampagne an. In den Zeitungen überschlugen sich  Meldungen über drohende kommunistische Putsche, Bildung Roter Armeen, sowjetrussische Agenten u. a. m.
Wie reagierte die VKPD-Führung? Statt Besonnenheit zu wahren, blies die Zentrale der Partei zum Alarm, rief  dazu auf, sich zu bewaffnen, und forderte den Sturz der Regierung. Revolutionäre Ungeduld im Mansfeldischen  führte am 21. März zur Proklamation des Generalstreiks, der sich zügig ausbreitete. Das Auftauchen von Max  Hoelz, der sich durch seine verwegenen Aktionen 1918-1920 im Vogtland einen legendären Ruf erworben hatte,  und das provozierende Auftreten der Schupo ließen die Streikaktionen in den bewaffneten Widerstand hinübergleiten. Hoelz scharte einige hundert Bewaffnete um sich und startete überraschende Angriffe gegen die  Schupo, wobei er auch zu Mitteln des individuellen Terrors griff. Am 23. März traten die Leuna- Arbeiter in den  Streik und bereiteten sich auf die Verteidigung des Werkes vor. Am gleichen Tag kam es in Hamburg bei Solidaritätsbekundungen für die mitteldeutschen Arbeiter zu schweren Zusammenstößen, bei denen zahlreiche  Arbeiter von der Polizei erschossen und viele verwundet wurden. Am folgenden Tag verhängte Reichspräsident  Friedrich Ebert über die Provinz Sachsen und über Hamburg den Ausnahmezustand. Die Bezirksleitung  Halle-Merseburg und die Zentrale der VKPD proklamierten den Generalstreik.
Immer neue Hundertschaften besetzten das Mansfelder Land, dabei kam es zu etlichen Kämpfen mit bewaffneten Arbeitern. Am 29. März stürmten 21 Hundertschaften nach Artilleriebeschuß die Leuna-Werke, wobei sie nur auf geringen Widerstand stießen. Im Betrieb waren zumeist nur Notstandsarbeiter, hatten sich doch die bewaffneten Arbeiter schon vorher in das Geiseltal zurückgezogen. Dennoch ging die Schupo in Leuna mit großer Brutalität vor, sie ermordete Dutzende Arbeiter und pferchte etwa 2 000 in einem Silo ein. Damals entstand das Arbeiterlied: »In Leuna sind viele gefallen, in Leuna floß Arbeiterblut.« Am 1. April wurde die letzte, von Max Hoelz geführte Truppe bei Beesenstedt zerschlagen. Nach den Ostertagen brach die Streikbewegung zusammen.  Am 1. April erklärte die Zentrale der VKPD die Aufstandsbewegung als niedergeschlagen.
Im Bezirk Halle-Merseburg waren 150 000 Arbeiter in den Streik getreten, etwa zwei Drittel des  Industrieproletariats. 4 000 Arbeiter, ausgerüstet mit etwa 2 000 Gewehren und 40 Maschinengewehren, hatten den bewaffneten Kampf aufgenommen. An Solidaritätsstreiks in anderen Teilen Deutschlands hatten sich 80 000  bis 100 000 Arbeiter beteiligt, einige hunderttausend an Protestversammlungen und Demonstrationen. Der weiße Terror triumphierte. Wie viele Arbeiter der Schupo-Aktion zum Opfer fielen, wurde nie genau festgestellt. 145 wurden amtlich zugegeben. Etwa    6 000 Personen wurden verhaftet, 4 500 von ihnen vor außerordentliche Gerichte gestellt, viele zu hohen Zuchthaus- und Gefängnisstrafen verurteilt. Die Konzernherren nutzten die Niederlage aus, um Arbeiter zu entlassen, Löhne zu senken, Arbeiterrechte abzubauen.
Antikommunistische Kräfte frohlockten, aber der Parteikommunismus war im Bezirk keineswegs erledigt. Schritt für Schritt gelang es der VKPD, viele durch Tod, Verhaftung oder Flucht gerissene Lücken zu schließen und neue Verbindungen zur Basis zu knüpfen. Den Angehörigen der Verhafteten wurde materielle Unterstützung gewährt, dazu ein provisorisches Rote-Hilfe- Komitee geschaffen. Eine juristische Zentralstelle unterstützte die verurteilten Märzkämpfer, die bis Sommer 1922 fast alle freigekämpft werden konnten. Rasch gewann so die KPD wieder Selbstvertrauen und erwarb sich als politische Kraft neue Anerkennung in der Arbeiterklasse. Ihr eigentliches, weitgestecktes Ziel erreichten die Initiatoren der Schupo- Provokation daher nicht. Der Bezirk Halle-Merseburg blieb eine Hochburg der linken, kommunistischen Arbeiterbewegung.

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