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Donnerstag, 4. Juni 2015

Die Gründung des Freien Deutschen Gewerkschaftsbundes (FDGB) vor 70 Jahren (1. Teil)


Gedenktage bieten stets Anlaß für eine historische Rückblende. Das ermöglicht festzustellen, was erreicht wurde, was im Mittelpunkt stand und welche Erfahrungen bzw. Schlußfolgerungen abzuleiten sind. Untrennbarer Bestandteil der deutschen Gewerkschaftsgeschichte ist auch das 45 – jährige Wirken des FDGB.


Die Geburtsstunde des FDGB am 15. Juni 1945

Knapp fünf Wochen nach der Zerschlagung des Faschismus erließ Marschall Shukow von der sowjetischen Militäradministration am 10. Juni 1945 den Befehl Nr. 2 über die Bildung und Tätigkeit antifaschistischer Parteien und freier Gewerkschaften in der sowjetischen Besatzungszone (SBZ).
Damit war die Grundlage für die Gründung der Gewerkschaften gegeben. So konstituierte sich am 15. Juni 1945 aus einer Gruppe leitender Funktionäre aller früheren Gewerkschaftsrichtungen ein Vorbereitender Gewerkschaftsausschuß für Groß – Berlin. In diesen Ausschuß arbeitenden die kommunistischen Gewerkschafter Roman Chwalek, Paul Walter und Hans Jendretzky, die sozialdemokratischen Otto Brass, Bernhard Göring und Hermann Schlimme und Ernst Lemmer von den Hirsch – Dunkerschen Gewerkschaften und Jakob Kaiser von den Christlichen Gewerkschaften.
Wie war die Situation? Berlin lag in Trümmern. Verkehrsmittel fuhren kaum. Viele Kollegen kamen zu Fuß oder auf Fahrrädern zu dieser Gewerkschaftsveranstaltung, an der 579 Kollegen teilnahmen.


Im Kern ging es:

- um die Überwindung der ideologischen und organisatorischen Spaltung der Gewerkschaften

- das Vertrauen der Völker zurückzugewinnen und Lehren aus der Vergangenheit zu ziehen.

In diesem Sinne war der Aufruf des Vorbereitenden Gewerkschaftsausschusses die Geburtsstunde des FDGB. Die Gründung des FDGB vor 70 Jahren ist nicht mit dem Neubeginn der Gewerkschaften in Deutschland zeitlich identisch.

Den Anfang machten Gewerkschafter in Aachen

Es gehört zur historischen Wahrheit, daß sich bereits am 18. März 1945 in Aachen Gewerkschafter verschiedener politischer und weltanschaulicher Richtungen zusammenfanden. 80 Personen – Kommunisten, Sozialdemokraten, Christen u.a. waren gekommen, um die Gewerkschaftsbegründung unter dem Namen „Freier Deutscher Gewerkschaftsbund Aachen (FDGB)“ vorzunehmen. Sie verabschiedeten die „13 Aachener Punkte“

Kampf gegen den preußischen Militarismus und Faschismus
Entfernung der Nazis aus Wirtschaft und Verwaltung
Vertretung der Gewerkschaft in allen Zweigen des öffentlichen Lebens

Aus heutiger Sicht kann man diese Forderungen als vorbildlich und richtungsweisend bezeichnen. Nicht zuletzt waren das auch Orientierungspunkte, die sich in den Grundsätzen bei der Gründung des Deutschen Gewerkschaftsbundes ( DGB) im Oktober 1949 wiederfinden. So forderte der 1. Vorsitzende des DGB Hans Böckler, die Bildung von Einheitsgewerkschaften, die vom Staat, Unternehmen und Parteien unabhängig sind.
All diese progressiven Ziele wurden letztendlich Opfer des kalten Krieges. Dabei ist nicht zu übersehen, daß auch revisionistischen Gewerkschaftsführer ihren Anteil daran hatten. Dazu kam, daß die westlichen Besatzungsmächte an starke Einheitsgewerkschaften nicht interessiert waren. So wurde zunächst versucht, sie auf lokaler Ebene zu begrenzen.

Aufschwung der Gewerkschaften in der SBZ

Innerhalb weniger Monate schufen Tausende von Arbeitern in Betrieben, Kreisen und Ländern ihre Gewerkschaften. Bereits im April 1947 waren in 18 Industriegewerkschaften 3,5 Millionen Mitglieder organisiert. Der Gewerkschaftsaufbau wurde nach dem Prinzip „Ein Betrieb – eine Gewerkschaft“ gewährleistet.
Die Gewerkschaften standen vor bisher nicht gekannten Aufgaben. Das verlangte radikales Umdenken. Ohne intensive Aufklärung- und Bildungsarbeit wäre die Stärkung der Gewerkschaften undenkbar gewesen.
In mühevoller Kleinarbeit wurde insbesondere die Schulungsarbeit in den Betrieben entwickelt. Dazu wurde monatlich Schulungs- und Referentenmaterial herausgegeben. Auf Beschluß des Bundesvorstandes des FDGB konnten ab 2. Mai 1947 an der ehemaligen Bundesschule des ADGB in Bernau (der späteren Gewerkschaftshochschule „Fritz Heckert“) Lehrgänge durchgeführt werden. Vom 1. Januar 1947 an, erschien auch die Gewerkschaftszeitung „Tribüne“
Das waren wesentliche Voraussetzungen um, ausgehend von den Lehren der Geschichte die neue Rolle der Gewerkschaften zu erkennen und über Inhalt und Ziel der Gewerkschaftsarbeit zu diskutieren. Dieses Herangehen entsprach dem Leninschen Hinweis, daß die Gewerkschaften „tief im Arbeitsleben verwurzelt bleiben, das Leben der Arbeiter in- und auswendig kennen müssen“ (Werke Bd. 33, S. 177)
Dieser Prozeß vollzog sich aber nicht im Selbstlauf, sondern mußte im harten Klassenkampf durchgesetzt werden.

Gewerkschaften im „kalten Krieg“

Ende der vierziger Jahre zeichneten sich tiefgreifende Veränderungen in der internationalen Arena ab. Von westlicher Seite, insbesondere des USA-Imperialismus, wurde alles versucht, die gesellschaftliche Entwicklung weltweit ihrer Strategie unterzuordnen.
So wurden die Einheitsgewerkschaften in Italien und Frankreich gespalten. Mit dem Marschallplan 1947 erfolgte auch die Spaltung Deutschlands und damit auch der Gewerkschaften. Auch die am 20. Juli 1948 eingeführte seperate Währungsreform war sozusagen der Ausgangspunkt zur Bildung eines Seperatstaates in den Grenzen der westlichen Alliierten, unter Einbeziehung Westberlins. Es bleibt Tatsche, daß sich diesen Prozessen eine Reihe Gewerkschaftsführer unterwarfen.

Die Unabhängige Gewerkschaftsopposition (UGO) spaltet die einheitlichen Berliner Gewerkschaften

In Westberlin begann 1948 ein Kesseltreiben gegen Funktionäre und Mitglieder des FDGB. Die Besatzungsmächte und Konzernvertreter halfen den Maßgeblichen Führern der UGO bei der Spaltung der Gewerkschaftseinheit in Berlin und bereiteten das Verbot des FDGB in den Westsektoren vor. UGO-Vertreter forderten beispielsweise die den Delegiertenwahlen die parteipolitische Kennzeichnung der Kandidaten einzuführen. Ihr Ansinnen wurde von der Mehrheit der Berliner Gewerkschaften abgelehnt.
Der Vorsitzende des Eisenbahnerverbandes der UGO, Brach, veranstaltete eine Urabstimmung. Die Gewerkschaftsführer stellten sich also hinter die Feinde der Gewerkschaftseinheit in Groß-Berlin. Schließlich brachen sie alle Beziehungen zum FDGB ab.

Gründung der DDR – ein neuer Abschnitt in der Geschichte des FDGB

Von der ersten Stunde seiner Gründung bis zur Auflösung 1990 war der FDGB ein wirkungsvoller Mitgestalter und Wegbereiter der sozialistischen Gesellschaft. Im Leninschen Sinne waren sie „die wichtigsten Baumeister der neuen Gesellschaft“ (Werke, Bd. S. 438)
Zum ersten mal in der deutschen Geschichte hatten die Gewerkschaften in der obersten Volksvertretung Sitz und Stimme.
Zusammen mit der FDJ und der Vereinigung der gegenseitigen Bauernhilfe bildeten sie eine Fraktionsgemeinschaft. Die Gewerkschaften hatten das Recht auf Gesetzesinitiative. So arbeiteten sie aktiv am „Gesetzbuch der Arbeit“ mit, das im April 1950 in der Volkskammer verabschiedet wurde. Das Arbeitsgesetz sicherte jedem Werktätigen das Recht auf Arbeit und eine leistungsgerechte Entlohnung zu. Erstmals wurde Frauen ein bezahlter Schwangerschaftsurlaub für die Dauer von fünf Wochen vor und sechs Wochen nach der Geburt des Kindes gewährt.
Die Mitwirkung an der Arbeitsgesetzgebung, insbesondere des Arbeitsrechts, war ständiger Teil gewerkschaftlicher Interessenvertretung. Das spiegelte sich auch an der Mitwirkung des Arbeitsgesetzbuch (AGB) 1977 wider. Das AGB wurde auf Grund veränderter Bedingungen von der Volkskammer am 16. Juni 1977 verabschiedet.

Helmar Kolbe - in "Berliner Anstoß" 06/2015


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