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Mittwoch, 10. August 2011

Schußwaffengebrauchsvorschrift der DDR und der BRD - Ein Vergleich

Befehl des Ministers für Nationale Verteidigung Nr. 76/61

Strausberg, 6. Oktober 1961


Inhalt:
Bestimmungen über Schußwaffengebrauch für das Kommando Grenze
der Nationalen Volksarmee

Die Verbände, Truppenteile und Einheiten des Kommandos Grenze der Nationalen Volksarmee haben die Aufgabe, die Unantastbarkeit der Grenzen der Deutschen Demokratischen Republik bei jeder Lage zu gewährleisten und keinerlei Verletzungen ihrer Souveränität zuzulassen. Zur weiteren Sicherung der Staatsgrenze der Deutschen Demokratischen Republik befehle ich:

1.Für die Wachen, Posten und Streifen der Grenztruppen der Nationalen Volksarmee gelten ab sofort die Bestimmungen über Schußwaffengebrauch der DV 10/4 (Standortdienst- und Wachvorschrift) der Nationalen Volksarmee (Anlage 1).

2. In Erweiterung dieser Bestimmungen sind die Wachen, Posten und Streifen der Grenztruppen der Nationalen Volksarmee an der Staatsgrenze West und Küste verpflichtet, die Schusswaffe in folgenden Fällen anzuwenden:

- zur Festnahme, Gefangennahme oder zur Vernichtung bewaffneter Personen oder bewaffneter Banditengruppen, die in das Gebiet der DDR eingedrungen sind bzw. die Grenze nach der Westzone zu durchbrechen versuchen, wenn sie die Aufforderung zum Ablegen der Waffen nicht befolgen oder sich ihrer Festnahme oder Gefangennahme durch Bedrohung mit der Waffe oder Anwendung der Waffe zu entziehen versuchen;

- zur Festnahme von Personen, die sich den Anordnungen der Grenzposten nicht fügen, indem sie auf Anruf „Halt - stehen bleiben - Grenzposten“ oder nach Abgabe eines Warnschußes nicht stehen bleiben, sondern offensichtlich versuchen, die Staatsgrenze der Deutschen Demokratischen Republik zu verletzen, und keine andere Möglichkeit zur Festnahme besteht;

- zur Festnahme von Personen, die mittels Fahrzeugen aller Art die Staatsgrenze offensichtlich zu verletzten versuchen, indem sie vorschriftsmäßig gegebene Stoppzeichen der Grenzposten unbeachtet ließen oder auf einen Warnschuss nicht reagierten bzw. nachdem sie Straßensperren durchbrochen, beiseite geräumt oder umfahren haben und andere Möglichkeiten der Festnahme der betreffenden Personen nicht mehr gegeben sind.

3. Die Anwendung der Schußwaffe gegen Grenzverletzer darf nur in Richtung Staatsgebiet der DDR oder parallel zur Staatsgrenze erfolgen.

4. Von der Schußwaffe darf nicht Gebrauch gemacht werden

- gegenüber Angehörigen ausländischer Armee und Militärmissionen;

- gegenüber Angehörigen diplomatischer Vertretungen;

- gegenüber Kindern..

5. Bei unbewaffneten Provokationen, Zusammenrottungen und Unruhen jeglicher Art an der Grenze sowie Zerstörungen von Grenzsicherungsanlagen durch Personengruppen sind Nebelkerzen „rot“ (Tränengasmittel) einzusetzen.

6. Die Anwendung der Schußwaffe auf Flugzeuge fremder Nationalität, die die Lufthoheit der Deutschen Demokratischen Republik verletzen, ist nur auf meinen Befehl gestattet.

7. Der Chef des Kommandos Grenze der Nationalen Volksarmee meldet mir über die Einführung dieser Bestimmungen in allen Einheiten, Truppenteilen und Verbänden des Kommandos Grenze bis zum 10. Oktober 1961 Vollzug. Bis dahin sind in allen Einheiten, Truppenteilen und Verbänden des Kommandos Grenze der Nationalen

Volksarmee aktenkundige Belehrungen über die Bestimmungen des Schußwaffengebrauchs vorzunehmen.

8. Der Befehl Nr. 39/60 des Ministers des Innern und die dazu erlassenen Ergänzungen und Durchführungsbestimmungen sowie Kap. XI der Dienstvorschrift III/2 werden mit gleichem Termin außer Kraft gesetzt.

9. Dieser Befehl behält bis auf Widerruf Gültigkeit.

Armeegeneral Hoffmann


(Anlage 1)
Schußwaffengebrauch


1. Die Wachen, Posten und Streifen der Nationalen Volksarmee können in Ausübung ihres Dienstes von der Waffe Gebrauch machen:

a. um einen Angriff abzuwehren oder den Widerstand zu brechen, wenn sie in Erfüllung ihrer Aufgaben angegriffen werden;

b. wenn Verbrecher, insbesondere Spione, Saboteure, Agenten, Provokateure, der Festnahme bewaffneten Widerstand entgegensetzen oder flüchten.

2. Die Waffe darf insoweit gebraucht werden, wie es für die zu erreichenden Zwecke erforderlich ist.

3. Die Angehörigen der nationalen Volksarmee sind jederzeit zum Waffengebrauch berechtigt, wenn sie in Ausübung ihres Dienstes zum Schutz der Deutschen Demokratischen Republik eingesetzt sind.




Gesetz über die Staatsgrenze der DDR (Grenzgesetz)

§ 27 Anwendung von Schußwaffen

(1) Die Anwendung der Schußwaffe ist die äußerste Maßnahme der Gewaltanwendung gegenüber Personen. Die Schußwaffe darf nur in solchen Fällen angewandt werden, wenn die körperliche Einwirkung ohne oder mit Hilfsmitteln erfolglos blieb oder offensichtlich keinen Erfolg verspricht. Die Anwendung von Schußwaffen gegen Personen ist erst dann zulässig, wenn durch Waffen gegen Sachen oder Tiere der Zweck nicht erreicht wird.

(2) Die Anwendung der Schußwaffe ist gerechtfertigt, um die unmittelbar bevorstehende Ausführung oder die Fortsetzung einer Straftat zu verhindern, die sich den Umständen nach als ein Verbrechen darstellt. Sie ist auch gerechtfertigt zur Ergreifung von Personen, die eines Verbrechens dringend verdächtig sind.

(3) Die Anwendung einer Schußwaffe ist grundsätzlich durch Zuruf oder Abgabe eines Warnschußes anzukündigen, sofern nicht eine unmittelbar bevorstehende Gefahr nur durch eine gezielte Anwendung der Schußwaffe verhindert oder beseitigt werden kann.

(4) Die Schußwaffe ist nicht anzuwenden, wenn

a) das Leben oder die Gesundheit Unbeteiligter gefährdet werden können,

b) die Personen dem äußeren Eindruck nach im Kindesalter sind oder

c) das Hoheitsgebiet eines benachbarten Staates beschossen würde.

Gegen Jugendliche und weibliche Personen sind nach Möglichkeit Schußwaffen nicht anzuwenden.

(5) Bei der Anwendung der Schußwaffe ist das Leben von Personen nach Möglichkeit zu schonen.

Verletzten ist unter Beachtung der notwendigen Sicherheitsmaßnahmen Erste Hilfe zu erweisen.



25. März 1982

(aus :Gesetzbuch der Deutschen Demokratischen Republik, Teil I, Nr. 11 vom 29.3.1982, S. 201)


und hier das Gegenstück aus der BRD:

Gesetz über den unmittelbaren Zwang bei Ausübung öffentlicher Gewalt durch Vollzugsbeamte des Bundes (UZwG) (BRD)

§ 11 Schusswaffengebrauch im Grenzdienst

(1)Die im § 9 Nr.1, 2 , 7 und 8 genannten Vollzugsbeamten können im Grenzdienst Schusswaffen auch gegen Personen gebrauchen, die sich der wiederholten Weisung zu halten oder die Überprüfung ihrer Person oder der etwa mitgeführten Beförderungsmittel und Gegenstände zu dulden, durch die Flucht zu entziehen versuchen. Ist anzunehmen, dass die mündliche Weisung nicht verstanden wird, so kann sie durch einen Warnschuss ersetzt werden.

(2) Als Grenzdienst gilt auch die Durchführung von Bundes- und Landesaufgaben. Die den in Absatz 1 bezeichneten Personen im Zusammenhang mit dem Grenzdienst übertragen sind.

§ 12 Besondere Vorschriften für den Schusswaffengebrauch

(1)Schusswaffen dürfen nur gebraucht werden, wenn andere Maßnahmen des unmittelbaren Zwanges erfolglos angewendet sind oder offensichtlich keinen Erfolg versprechen. Gegen Personen ist ihr Gebrauch nur zulässig, wenn der Zweck nicht durch Waffenwirkung gegen Sachen erreicht wird.

(2) Der Zweck des Schusswaffengebrauchs darf nur sein, angriffs- oder fluchtunfähig zu machen. Es ist verboten zu schießen, wenn durch den Schusswaffengebrauch für die Vollzugsbeamten erkennbar Unbeteiligte mit hoher Wahrscheinlichkeit gefährdet werden., außer wenn es sich beim Einschreiten gegen eine Menschenmenge (§ 10, Abs.2) nicht vermeiden lässt.

(3) Gegen Personen, die sich dem äußeren Eindruck nach im Kindesalter befinden, dürfen Schusswaffen nicht gebraucht werden.


10. März 1961


(aus: Die Deutsche Bundeswehr, 535, März 1985)


Allein der Umfang der hier gegenüber gestellten Vorschriften sollte uns zum Nachdenken anregen. Sowohl die Bestimmungen aus 1961 und 1982 der DDR zeigen, wie streng der Waffengebrauch geregelt war und sind durch die detaillierten Erläuterungen für jeden Bürger der DDR transparent gewesen.
Andreas Maluga

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