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Mittwoch, 10. August 2011

Hintergrund und Analyse der Grenzsicherung der DDR - Teil 4

Schlussbemerkung

Die Angehörigen der Grenztruppen fühlten sich der Verfassung ihres Landes, seinen Gesetzen und dem geleisteten Fahneneid verpflichtet. Sie wussten, dass die Staatsgrenze der DDR die Hauptkonfrontationslinie zwischen beiden sich in unüberbrückbarer Feindschaft gegenüber stehenden Weltsystemen und Militärblöcken war. Deshalb war ihnen auch die große Gefahr bewusst, welche dem Weltfrieden durch Provokationen an der Grenze ausgelöste militärische Konflikte an dieser vordersten Verteidigungslinie des Warschauer Paktes drohte. Für sie war unstrittig, dass die Führungen beider Seiten eine militärische Ost-West- Auseinandersetzung, zumindest bis Mitte der 80er Jahre, für möglich hielten und darauf vorbereitet sein wollten. Das belegten nicht nur die vielen Manöver und Übungen der Streitkräfte von NATO und Warschauer Pakt, die ununterbrochene militärische Aufklärung beiderseits der Grenze, sondern auch die Tatsache, dass die Führungen der Grenztruppen periodisch die Planung der eigenen Einheiten und Stäbe in den Verteidigungs-räumen der vorgesehenen sowjetischen Armeen kartografisch und schriftlich zu präzisieren hatten. Die Angehörigen der Grenztruppen waren davon überzeugt, Friedensdienst zu leisten und einen militärischen Auftrag zu erfüllen, der sich in Übereinstimmung mit dem Völkerrecht befand.

In einem sozialistischen Staat aufgewachsen, waren die Offiziere, Unteroffiziere und Soldaten zur Achtung vor dem Leben erzogen worden. Diese Achtung vor dem Leben bestimmte auch ihre Dienstauffassung und ihren praktischen Grenzdienst. Im Einsatz der Schusswaffe sahen sie in Übereinstimmung mit den eindeutigen Schusswaffengebrauchsbestimmungen für die Grenztruppen das allerletzte Mittel zur Verhinderung von Grenzverletzungen. In diesem Sinne waren auch, von wenigen Ausnahmen abgesehen, die Erklärungen angeklagter Angehöriger der Grenztruppen vor Gericht.

Als bereits 1975 auf eigenen Wunsch aus dem aktiven Dienst ausgeschiedener Offizier der Grenztruppen hat der Autor die obigen Auffassungen und Überzeugungen von der Notwendigkeit und Rechtmäßigkeit des Grenzdienstes geteilt und sie in seinem bereits 1993 im GNNVerlag erschienenen Buch „Davor-Dabei-Danach. Ein ehemaliger Kommandeur der Grenztruppen berichtet“ (ISBN 3-932725-85-9) vor dem Hintergrund des erlebten Zweiten Weltkrieges, der deutschen Nachkriegsgeschichte und des Kalten Krieges umfassend begründet. Seine dienstlichen Erfahrungen und geäußerten Auffassungen, auch kritischer Art, werden nicht nur von sehr vielen ehemaligen Angehörigen der Grenztruppen bestätigt, sondern auch von Offizieren a. D. der Bundeswehr als ein ehrliches und sachliches Zeitzeugnis beurteilt. Im Leserbrief eines Unterfeldwebels der Grenztruppen, um nur eines der vielen Beispiele zu nennen, heißt es abschließend: „Sie haben mit Ihren Feststellungen Recht: Keiner von uns Grenzern wollte schießen und jeder war froh, wenn er nach seinem Grenzdienst die ‚Kalaschnikow’ und die vollen Magazine wieder in die Waffenkammer stellen konnte.“ Und der bekannte Militärhistoriker Kapitän zur See a. D. Walter Jablonsky schrieb in seiner Buchbesprechung für den Deutschen Bundeswehr-Verband: "Spätestens seit der Wiedervereinigung beider deutschen Staaten 1990 verengte sich der Blick vieler 'westlicher' Beobachter und Kommentatoren auf die äußerst komplexe politische Wirklichkeit der DDR auf zwei Problemfelder: Das Grenzregime der DDR (Stichworte: 'Mauerschützen', 'Mauertote') und das Ministerium für Staatssicherheit (Stichworte: 'Die HVA des Markus Wolf', 'Innere Repression', 'IM'). Dass die Lebenswirklichkeit in der DDR weitaus umfassender war, entzog sich dem geistigen Zugriff des Mallorcareisenden Bundesbürgers. Ebenso entzog sich ihm, offenbar auch den Justizorganen der BRD, dass 'Mauerschützen' und 'Mauertote' als Stichworte kaum das Geschehen an der deutsch-deutschen Grenze hinreichend beschreiben können. Umso wichtiger ist es, dass jetzt ein Buch vorliegt, das zu den Aspekten des Problemfeldes 'Grenzregime der DDR' aus der Sicht eines sachkundigen Zeitzeugen umfassende Auskunft gibt." Der bevorstehende 50. Jahrestag des Mauerbaus hat den Autor veranlasst zu prüfen, ob seine vor 18 Jahren im oben genannten Buch geäußerten Auffassungen auch heute noch Bestand haben. Ergebnis: Sie haben nicht nur weiteren Bestand; als ehemaliger Militär der DDR ist er insbesondere durch die Teilnahme der BRD an völkerrechtswidrigen Kriegen, die geheimdienstliche und bis heute andauernde großzügige logistische Unterstützung der völkerrechtswidrigen Aggression der USA gegen den Irak - vom britischen Literatur-Nobelpreisträger Harold Pinter als "Banditenakt" gebrandmarkt - und den nahezu weltweiten Einsatz von Bundeswehr und Bundesmarine zur Wahrung geopolitischer und profitabler Interessen des deutschen Imperialismus, sowie die sich daraus ergebenden Gefahren für die Bundeswehrsoldaten und für unser Volk in ihnen noch nachhaltig bestärkt worden.
Mit dem über Mauerbau, Grenzregime und Grenztruppen Gesagten sollen tragische Geschehnisse an der Grenze mit Verletzten und Toten in den Jahren des Kalten Krieges nicht nachträglich gerechtfertigt werden. Den Betroffenen und Hinterbliebenen, wozu ausdrücklich auch die Hinterbliebenen der ermordeten Angehörigen der Grenztruppen zählen, gehört unser aller Mitgefühl. Angesichts der politischen Instrumentalisierung der Opfer ist es aber unverzichtbar, der historischen Entwicklung vor und nach 1945 die ihr gebührende Bedeutung beizumessen und sich allen Versuchen, die Nachkriegsgeschichte im Sinne der heute Regierenden umschreiben zu wollen, energisch zu widersetzen. Was aus verfehlter Politik auf beiden Seiten, was aus Spaltung und Konfrontation historisch erwachsen ist, lässt sich weder durch einseitige Schuldzuweisungen an die DDR erledigen, noch wird es gelingen, mit der heute praktizierten Gerichtsauffassung die alte BRD und ihr Gesellschaftssystem zum letzten Wort der Geschichte zu erheben. Die Geschichte des einen deutschen Staates ist ohne, die Geschichte des anderen, nicht zu definieren. Nur wenn sie angenommen wird, kann die innere Spaltung überwunden werden.

Möge diese kurze Abhandlung dazu anregen, sich in dem gebotenen Umfang mit dem Kalten Krieg auf deutschem Boden und seinen Folgen bis in die Gegenwart zu beschäftigen und besonders Heranwachsenden und zukünftigen Generationen helfen, sich trotz allen schulisch verordneten und medialen Geschichtsrevisionismus ein wahrheitsgetreues Bild von den vergangenen 66 Jahren zu machen und daraus die richtigen Schlussfolgerungen, sowohl für ihr persönliches Verhalten, als auch für ein friedliebendes, demokratisches und sozial gerechtes Deutschland zu ziehen.

Hans Fricke, Rostock

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