Mit den ersten Takten aus Beethovens 9. Symphonie beginnt die politisch brisante und emotional wie rational gleichermaßen nachhaltig wirksame Protestveranstaltung des Ostdeutschen Kuratorium von Verbänden e.V. (OKV) anlässlich des „Tages der Deutschen Einheit“. Es ist das fünfte mal hintereinander, dass am 3. Oktober nicht gefeiert, sondern protestiert wird. Ziel dieses jährlichen Protestes ist es, auf gravierende politische Defizite des Einigungsprozesses aufmerksam zu machen und zu öffentlichem Widerstand zu motivieren. Der diesjährige Protest konzentriert sich auf die permanente Verletzung von politischen und sozialen Menschenrechten in der Bundesrepublik Deutschland. Der Artikel 1 des Grundgesetzes „Die Würde des Menschen ist unantastbar“ wird an Hand der praktischen Politik der Bundesregierung als hohle Phrase entlarvt. Den politisch tragenden Bogen spannt der Bundesvorsitzende der Gesellschaft zum Schutz von Bürgerrecht und Menschenwürde e. V. (GBM) Prof. Dr. Wolfgang Richter. Er weist nach, dass zu Beginn des 21. Jahrhunderts, insbesondere im Zusammenhang mit den Ereignissen des 11. September, weltweit eine eklatante Verschlechterung der Menschenrechtssituation eingetreten ist. Das trifft im besonderen Maße auch auf die Bundesrepublik Deutschland zu. Permanent und beharrlich werden durch die Regierung der BRD Empfehlungen, Kritiken, Hinweise und Auflagen der UNO-Gremien zur Verbesserung der politischen und sozialen Menschenrechte in der BRD missachtet. 33 konkrete Kritikpunkte der UNO werden durch eine Bundesregierung schlichtweg ignoriert, die nicht müde wird, anderen Ländern – vorrangig China, Kuba und Weißrussland- Lektionen in Menschenrechtsfragen zu erteilen. Wolfgang Richter betont die Notwendigkeit, den Protest innerhalb der BRD auszuweiten und im nächsten Jahr in einem juristischen Tribunal münden zu lassen.
Besonders gegeißelt wird in der Veranstaltung die aktive Kriegspolitik der Regierung Angela Merkel. Untersetzt durch eine emotional hochwirksame Bild- und Tonschau gelingt es, in wenigen Sequenzen den fundamentalen Widerspruch zwischen Grundgesetz und bundesdeutscher Militärdoktrin sowie praktischer Kriegsführung geradezu spürbar zu machen. Die Verpflichtung des Grundgesetzes, dass Deutschland Streitkräfte nur zur Verteidigung einsetzen darf, wird durch Bilder aus den Kriegen mit deutscher Beteiligung auf dem Balkan und in Afghanistan ad absurdum geführt. Wenn die Bilder der 52 getöteten deutschen Soldaten – überwiegend aus dem Osten Deutschlands – auf der Leinwand erscheinen und dazu die Aussage von Bundeskanzlerin Merkel, dass wir noch kämpferischer werden müssen, um unser christliches Weltbild in der Welt durchzusetzen, läuft den Zuhörern der kalte Schauer über den Rücken. Die Veranstalter lassen es sich an dieser Stelle nicht nehmen, mit Text und Ton daran zu erinnern, dass in der DDR Friedenspflicht nicht nur Verfassungsgrundsatz, sondern auch Bestandteil der Nationalhymne und politische Realität waren.
Ein ergreifender emotionaler Höhepunkt ist der Bericht einer alleinstehenden Mutter mit Kind über ihre Demütigungen im Job-Center Berlin-Lichtenberg. Trotz inhaltlich und terminlich korrekter Antragstellung wurden ihr über ein halbes Jahr hinweg jegliche Bezüge verweigert und dadurch die Existenzgrundlage zum Leben entzogen. Obdachlosigkeit wurde zur realen Gefahr, berichtete sie. Allein die Tatsache, dass sie mit ihren Aussagen anonym bleiben wolle, da sie sonst fürchte, weiteren Schikanen der Bürokraten im Job-Center ausgesetzt zu sein, spricht Bände über die Würde des Menschen. Es spricht auch Bände, dass der Vorsitzende der Bundesanstalt für Arbeit, Frank- Jürgen Weise, dem der Vorgang vom Präsidenten des OKV mit der Bitte um Überprüfung zugestellt wurde, es bis heute nicht für notwendig hielt, zu antworten. Natürlich schlug er auch eine Einladung zur Veranstaltung aus – ebenso wie der Leiter des Job-Centers. Nicht verwunderlich, denn die Vorsitzende des Arbeitslosenverbandes Berlin Marion Drögsler, selbst als 50-jährige Frau acht mal durch Arbeitslosigkeit gegeißelt, ergänzte, dass das geschilderte Schicksal kein Einzelfall, sondern „normaler“ Arbeitsstil vieler Job-Center sei. Sie entlarvt auch, wie die Bundesregierung und ihre Arbeitsagentur durch Verschleierungen und Fälschungen die reale Zahl der Arbeitslosen „statistisch“ bereinigen. Wir haben nicht unter 3 Millionen, sondern über 5 Millionen Menschen, denen das Menschenrecht auf Arbeit und Entlohnung, die zum Lebensunterhalt ausreicht, verwehrt wird.
Arnold Schölzel – Chefredakteur der als Zeitung und in Person vom politischen Gegner und Teilen der Linken diskreditierten „Jungen Welt“ nahm sich den Medienterror zur Brust. Engagiert wehrt er sich gegen die nationalistischen großdeutschen Verunglimpfungen insbesondere gegenüber Griechenland im Zusammenhang mit der Euro-Krise in den gleichgeschalteten Massenmedien. Leidenschaftlich wendet er sich gegen die dort ständig geschürte Kriegshysterie – aktuell gegen Libyen. Einen optimistischen Abschluss setzt das international agierende Kinderensemble „Sadako“ unter Leitung von Welislawa und Michael Letz. Es hat seinen Namen nach einem japanischen Mädchen, das an den radioaktiven Kriegsfolgen des US-amerikanischen Atombombenabwurfes auf Hiroshima qualvoll gestorben ist. Es fühlt sich mit seinen Liedern diesem Kind und der Zukunft verpflichtet, auf dass sich Derartiges nie wiederholen möge.
Insgesamt eine gelungene und aufwühlende Veranstaltung für die annähernd 500 Teilnehmer.
Dabei war es besonders erfreulich, dass mit der gewählten Thematik und der Gestaltung der Veranstaltung sich linke Organisationen von einer nach hinten orientierten Verteidigungs-position in eine vorwärts gewandte Angriffsposition begaben. Eine im linken Spektrum durchaus nicht alltägliche Verhaltensweise. Bezeichnend war, dass die Schreihälse nach Menschenrecht und Menschenwürde aus Regierung, Senat und Massenmedien der Veranstaltung trotz Einladung fernblieben. Bedauerlich und des Nachdenkens wert ist aber auch, dass die eingeladenen Vorstände der Partei DIE LINKE aus Bund und dem Land Berlin nicht den Weg zu dieser Veranstaltung gefunden haben.
Berlin, 03. 10 2011
- Pressesprecher -
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