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Samstag, 2. Juli 2011

Wer war Philipp Müller?

Philipp Müller, geboren am 5. April 1931 in München-Neuaubing, wird am 11. Mai 1952 in Essen als Demonstrant gegen die bundes-republikanischen Wiederbewaffnungspläne von der Polizei erschossen. Dies war das erste Mal in der Geschichte der BRD, dass ein Demonstrant durch die Polizei getötet wurde.

Vorgeschichte
Nach dem Sieg über das faschistische Deutschland teilen die Siegermächte das Land gemäß den Beschlüssen von Jalta in vier Besatzungszonen auf: die US-amerikanische, französische und die britische sowie die sowjetische Zone. Im Potsdamer Abkommen werden die modi vivendi für eine gemeinsame Verwaltung der Zonen unter Wahrung der jeweiligen Interessen der Besatzungsmächte vertraglich geregelt. Ein Eckstein ist die Demilitarisierung aller Zonen.

Doch schon 1947 wird mit der sog. Containment-Politik der USA klar, wie brüchig der Respekt der westlichen Siegermächte gegenüber einer fried-lichen Nachkriegsordnung sein wird. Kernpunkte der US-amerikanischen Politik für die folgenden Jahre sind der Aufbau eines westlichen Militärbündnisses und die Vergabe finanzieller Hilfen für den Aufbau wirtschaftlich potenter Bündnispartner in Europa. Der kalte Krieg gegen die Sowjetunion und ihre Verbündeten beginnt: Wirtschaftsabotage, militäri-sche Provokationen und ideologisches Sperrfeuer gegen den Aufbau sozialistischer Strukturen. Der Weg der BRD in die 'westliche Wertegemeinschaft' beginnt mit ihrer Deklaration im Mai 1949 wenige Wochen nach der Gründung der NATO. Aber noch gilt das Besatzungsstatut. Die volle Souveränität - als Voraussetzung für den Betritt zur NATO - ist zum damaligen Zeitpunkt nach den Erfahrungen mit dem faschistischen Aggressionskrieg international noch nicht durchsetzbar. Aber das Gedächtnis der Mensch-heit ist kurz.

Mit dem Petersberger Abkommen vom 22. November 1949 zwischen der BRD und den westlichen alliierten Besatzungskomissaren werden die Kompetenzen der Bundesregierung über das noch geltende Besatzungsstatut hinaus erweitert. Ferner wird als Ziel die Einbindung der BRD in den Europarat festgelegt. Mit diesem Abkommen sind die Vorarbeiten für eine Wiederbewaffnung der BRD möglich: im folgenden Jahr nimmt das 'Amt Blank' seine Arbeit auf. Blaupause für seine Tätigkeit ist die 'Himmelroder Denkschrift' vom Oktober 1950. Im Kloster Himmelrod formulierte ein militärischer Expertenausschuss das Programm "für die Aufstellung eines Deutschen Kontingents im Rahmen einer übernationalen Streitmacht zur Verteidigung Westeuropas". Das Personal dieses Expertenausschusses als auch die Köpfe des Amtes Blank sind hochrangige Militärs der faschistischen Wehrmacht.

Der nächste Meilenstein für die Remilitarisierung wird 1952 gesetzt. Im sog. Generalvertrag wird das Ende des Besatzungsstatutes in der BRD festgelegt. Damit ist zwar noch kein Friedensvertrag geschlossen, die BRD gilt jedoch als souveräner Staat, der das Recht auf eine eigene Armee hat. Dieser Vertrag wird 1955 in Kraft treten.

Die Sowjetunion und die mit ihr verbündeten Staaten sehen diesen Vertrag zu Recht als Bedrohung ihrer Sicherheit an. An ihrer äussersten westlichen Grenze - der DDR - formiert sich jetzt offen ein antikommunistisch orientierter Staat, der nicht nur mit wirtschaftlichen sondern in naher Zukunft auch mit militärischen Mitteln eine Destabilisierung der DDR versuchen wird.
In Reaktion schlägt die Sowjetunion Verhandlungen über den Abschluss eines Friedensvertrages vor mit dem Ziel der Bildung eines gemeinsamen deutschen Staates. Verbunden damit soll der Abzug aller Besatzungstruppen aus Deutschland und dessen Neutralität sein. Dieser Friedensvorschlag wird aber von den Westmächten strikt abgelehnt.

Der Widerstand gegen die Remilitarisierung
Die Remilitarisierung stösst bei einem Großteil der Bevölkerung der BRD dennoch auf Ablehnung - die Schrecken des faschistischen Krieges sind noch nicht vergessen.
Am 28. Januar 1951 findet in Essen ein Kongreß mit dem Namen "Rettet den Frieden" statt. Beschlossen wird die Durchführung einer Volksbefragung zu den Themen Remilitarisierung und Verhandlungen über einen Friedensvertrag. Der Adenauer-Staat reagiert schnell: im April wird die Volksbefragung und im Juni die wichtigsten Initiatoren der Befragung -KPD und FDJ - verboten. Dennoch sprechen sich trotz der Verbote bis zum Jahr 1952 ca. 9,1 Millionen Menschen gegen die Remilitarisierung und für den Abschluss eines Friedensvertrages aus.
Als Reaktion auf die Pläne zum Abschluss des Generalvertrages ruft im März 1952 eine Konferenz von Vertretern verschiedener Jugendorganisationen in Darmstadt zu einer  "Jugendkarawane gegen Wiederaufrüstung und Generalvertrag" am 11. Mai 1952 in Essen auf. Die Losungen lauten: "Widersteht der Militarisierung! Jugend gegen Generalvertrag! Wir fordern Viermächtever-handlungen und die Wiederherstellung der Einheit Deutschlands! Friedensvertrag statt General-vertrag!"

Der 11. Mai 1952
Am 10. Mai verbietet der Nordrhein-Westfälische Ministerpräsident und Innenminister Karl Arnold (CDU) die Demonstration mit der Begründung, dass wegen weiterer Veranstaltungen nicht genug Polizeikräfte zur Verfügung stünden. Die Polizei erhält die Anweisung, Demonstrationsteilnehmern an den Zufahrtsstrassen den Weg nach Essen zu versperren.
Dennoch kommen trotz Verbot und Kontrollen ca. 30 000 Jugendliche nach Essen. Versammlungsziel ist die Gruga-Halle. Hier wird sie von hunderten bewaffneter Polizisten erwartet, die mit Hunden und brutalen Gummiknüppelhieben versuchen, die Jugendlichen abzudrängen. Entsetzt und empört verfolgen Tausende von Gruga-Besuchern das Vorgehen der Polizei und quittieren es mit Pfiffen und Protestrufen. Nach angeblichen Steinwürfen aus der Menge erteilt Kommissar Knobloch Schießbefehl. Es wird gezielt in die Menge geschossen: zwei Kugeln eines Polizisten treffen Philipp Müller, eine davon tödlich. Durch Polizeikugeln schwer verletzt werden außerdem der Sozialdemokrat Bernhard Schwarze aus Kassel und der Gewerkschafter Albert Bretthauer aus Münster.
Zeugenaussagen
Martha Hadinsky aus Mühlheim bezeugt:
"(...) Mit geschwungenen Gummiknüppeln stürzte sich die Polizei auf die Jugendlichen. Diese liefen in eine Seitenstraße. In dem Augenblick hörte ich Schüsse. ...Ich stand allein an dem Bretterzaun am Kirmesplatz an der Rüttenscheider Brücke. Die Masse der Demonstranten war schon an mir vorbeigestürmt. Plötzlich hielt ungefähr fünf Meter von mir entfernt ein Jugendlicher im Laufen inne. Ich sah, dass er außer Atem war, dass er nicht mehr weiterlaufen konnte. Plötzlich warf er beide Arme zur Seite und schrie auf. Dann fasste er sich an die Brust. Der Kopf fiel nach vorn. Dann sank der Jugendliche zu Boden. (...) Der Junge wurde in den Rücken getroffen. (...) Ich kann bezeugen, dass keiner von den Jugendlichen, die ich gesehen habe, geschossen hat. Die Behauptungen, die in dieser Richtung aufgestellt werden, sind erlogen."


Die Polizeischüsse werden mit Urteil vom 2. Oktober 1952 vom Dortmunder Landgericht als Notwehr eingestuft, obwohl kein Schusswaffengebrauch von Demonstranten nachgewiesen werden kann.
Vergeblich beantragen die KPD-Abgeordneten im Landtag von Nordrhein-Westfalen am 12. Mai 1952 und der KPD-Abgeordnete Heinz Renner in der Bundestagssitzung am 14. Mai 1952 die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses.
Zum Begräbnis Philipp Müllers in München kamen 3.000 Menschen.
In der DDR wurde, im Gegensatz zur  BRD, das  Andenken an  ihn  bis  zur Konterrevolution 1989 stets gefördert, insbesondere durch die FDJ. Der Zentralrat der FDJ verlieh als besondere Auszeichnung den Ehrennamen „Philipp Müller“ an seine Grundorganisationen. Ein Exponat eines verliehenen Ehrenbanners ist im Besitz des DDR-Kabinett-Bochum. Aber auch in vielen Orten der DDR erhielten Straßen, Schulen und öffentliche Einrichtungen den Namen „Philipp Müller“



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