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Samstag, 27. August 2011

Die Grenzen der DDR - Ein Buch zum Nachdenken


Klaus-Dieter Baumgarten / Peter Freitag (Hrsg.):
Die Grenzen der DDR. Geschichte, Fakten, Hintergründe.
edition ost, Berlin 2004. 448 Seiten


Dem Buch sind zwei aufschlussreiche Dokumente vorangestellt. Das ist zum einen die Eintragung von Michail Gorbatschow im Gästebuch der Grenztruppen der DDR vom 26. April 1986, der bekundete, sich davon überzeugt zu haben „wie viel Kraft und Heldenmut der Schutz des ersten sozialistischen Staates auf deutschem Boden vor den Anschlägen des Klassenfeindes erfordert“. Und das ist zum anderen das Schreiben von Marschall der Sowjetunion Kulikow und Armeegeneral Gribkow an das Landgericht Berlin vom 7. Juni 1996, das in sechs Punkten in völkerrechtlicher Präzision auf die Widersinnigkeit der Prozesse in der BRD gegen frühere Hoheitsträger der DDR, insbesondere gegen Angehörige der Nationalen Volksarmee und der Grenztruppen der DDR, hinweist. Die Autoren dieses Schreibens verdeutlichen, warum es endgültig seit Mitte der 50er Jahre keine „innerdeutsche Grenze“ mehr gab und weshalb die nunmehrige Staatsgrenze der DDR zur BRD zu einer „Grenze zwischen zwei sich feindlich gegenüberstehenden militärpolitischen Blöcken“ geworden war, „deren zuverlässige militärische Sicherung eine erstrangige Bedeutung hatte“. Die Gefahr, dass aus der Blockkonfrontation ein Konflikt, im schlimmsten Falle ein Dritter Weltkrieg entstehen konnte, war hier am größten. Es war daher seitens der BRD, ihre Massenmedien einbezogen, unverantwortlich, das Fortbestehen einer „innerdeutschen Grenze“ zu suggerieren und damit – in Missachtung der militärischen Konsequenzen an der Trennlinie von NATO und Warschauer Pakt – zu Grenzverletzungen regelrecht zu ermutigen. Die in dieser Hinsicht entscheidende Frage bestand und besteht darin, dass man die tragischen Folgen der Verletzungen dieser Grenze nicht aus dem historischen Konsens des Kalten Krieges und den damit verbundenen ständigen Konfronta-tionen herauslösen kann. Die DDR, die als souveräner Staat Mitglied der UNO und von 138 Staaten diplomatisch anerkannt war, unterstand auf militär-politischem und militärischem Gebiet der sowjetischen Hoheit. Denn weil die erste strategische Verteidigungslinie der Vereinten Streitkräfte des Warschauer Vertrages entlang der Staatsgrenze der DDR und der BRD verlief, hatte die sowjetische Seite das militärische Sagen auf dem Territorium der DDR. Nach mehrjähriger Arbeit haben sich Klaus-Dieter Baumgarten, Chef der DDR-Grenztruppen, und weitere 14 Autoren aus der Führung der Grenztruppen der DDR und kompetente Insider auf völkerrechtlicher Grundlage zum Schutz der Staatsgrenze der DDR sowie zur Geschichte ihrer Grenzsicherungsorgane zu Worte gemeldet. Einbezogen sind auch solche Themen wie der Einsatz von Grenztruppen zur Grenzüberwachung an der Staatsgrenze der DDR zur CSSR und zur Volksrepublik Polen (Peter Freitag) sowie die Auswahl, Zusammen-setzung und politisch-ideologische und psychologische Vorbereitung des Personalbestandes (Edgar Robitzsch).
Einen Einblick in die Grenzzwischenfälle mit tödlichem Ausgang gibt Horst Liebig. „Nach offiziellen Angaben“, so schreibt er, „starben zwischen 1949 und 1989 an der Staatsgrenze über 240 Menschen infolge von Schusswaffen-anwendung und Minendetonationen. Etwa 600 Personen ertranken in der Ostsee, in Elbe, Oder, Neiße sowie Spree oder kamen infolge von Unfällen oder Selbstmord ums Leben.“ Zwei Grenzpolizisten verloren zwischen 1946 und 1948 an der „Grünen Grenze“ ihr Leben. Seit 1949 fielen während ihres Dienstes zum Schutz der Staatsgrenze der DDR 25 Grenzsoldaten. Zugleich geht der Autor auf Motive der Grenzverletzer ein und verweist darauf, dass die „beim Schutz der Staatsgrenze gestorbenen Grenzsoldaten ... das gleiche Recht auf Erinnerung wie alle anderen Opfer des Kalten Krieges“ haben. Tatsache jedoch ist, „dass nach der ‚Wende’ ihre Gedenkstätten geschleift, die Namen von Straßenschildern getilgt und ihr Andenken verhöhnt wurde“. Zur Strafverfolgung von Hoheitsträgern der DDR und ehemaligen Angehörigen der Grenztruppen der DDR und des hierbei von BRD-Gerichten praktizierten Unrechts äußern sich mit Fachkompetenz Erich Buchholz und Frank Osterloh. Die Anlagen umfassen neben den üblichen Angaben eine Zeittafel der für die Grenzpolizei bzw. Grenztruppen der DDR relevanten Ereignisse (1945-1990 sowie eine Übersicht über Strukturen, Gliederungen und Dislozierung der Grenzpolizei/Grenztruppen der DDR. Das Buch sollte zur Diskussion und zum Nachdenken nicht nur über die Geschichte der DDR, sondern auch über die Nachkriegsgeschichte in Europa anregen. Bei einem Wust von Un- und Halbwahrheiten ist es geeignet, in einer schwierigen und sensiblen Frage zur Wahrheitsfindung beizutragen.

Kurt Schneider

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