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Montag, 5. September 2011

Kati Witt - Unser Eisstern aus Karl-Marx-Stadt

Kati Witt in ihrer Carmen Interpretation 1988


Mit der Interpretation der Carmen faszinierte Katarina Witt das Publikum 1988. Sie krönte mit dieser Darstellung ihre Laufbahn. Ob als Pußtamädchen, Mozart- junge, Mona Lisa, als Maria aus der Westside-Story oder als Car­men aus Bizets Oper — Katarina Witt verstand es wie keine andere Läuferin die verschiedensten Rol­len auf dem Eis zu interpretieren. Wie sich bei der Karl-Marx-Städte­rin vor allem in den letzten Jahren ihrer erfolgreichen Laufbahn künstlerische Ausdrucksstärke, hohes sportliches Können und Charme vereinten, riß die Zu­schauer auf der ganzen Welt zu wahren Beifallsstürmen hin, ani­mierte Experten und Journalisten zu Superlativen. So war beispielsweise nach ihrem beeindruckenden Weltmeister­schaftserfolg 1987 in Cincinnati vom bekannten amerikanischen Trainer Carlo Fassi zu hören: „Kata­rina ist die beste Eiskunstläuferin aller Zeiten." Im französischen „Figaro-Magazin" stand: „Eine wahrhaftige Künstlerin, ein Stern, eine bekannte Sportlerin, die das Eis entflammt." Und nach ihrem zweiten Olympiasieg 1988 schrieb die in Schweden erscheinende Presse „Aftonbladet": „Katarina— sie ist die Königin der Spiele. Kata­rina Witt nimmt die ganze Welt im Sturm."
Spricht man über die außerge­wöhnliche Erfolgsbilanz Katarina Witts, so vergleicht man sie mit der legendären Sonja Henie aus den 30er Jahren. Imposant schon allein die folgende Aufstellung: Zweimal Olympiasiegerin, vier­mal Weltmeisterin, sechsmal Euro­pameisterin, achtmal DDR-Meiste­rin. Doch diese Zahlen spiegeln' nicht wider, wie Katarina Witt das Eiskunstlaufen der Damen prägte. Mit der Gestaltung eines durch­gängigen musikalischen Themas leitete sie eine neue Ära ein. Ge­meinsam mit ihrer Trainerin Jutta Müller und dem Choreografen Rudi Suchy wagte sie sich an diese neue Form der Darstellungsart heran.
Im kreativen Miteinander und täglich harter Trainingsarbeit entstanden meisterhafte Vorträge auf dem Eis. Am nachhaltigsten blieben die Geschichte der Maria aus der Westside-Story und die Darstellung der Carmen, mit der Katarina ihre Laufbahn krönte und vollendete, in Erinnerung. Da interpretierten jede Bewegung, jede Gestik genau die Musik, untermalten Kostüm, Frisur und Make up die entsprechende „Rolle". Katarina erwarb sich nicht nur durch ihre Leistungen auf dem Eis, sondern auch durch ihr freundliches Auftreten viele Sympathien in der ganzen Welt. Nach ihren großen Triumphen erreichten sie jährlich bis zu 20000 Autogrammwünsche. Die Medienvertreter aller Genre schätzten ihre Intelligenz beim Beantworten von Fragen der verschiedenen Metiers und ihre Fähigkeit, auch in fließendem Englisch ihre Gedanken darzulegen. Katarina Witt reifte in ihrer sportlichen Karriere zu einer Persönlichkeit.
An ihrem Entwicklungsweg haben beim viele Menschen Anteil, allen voran Trainerin Jutta Müller, die, wie Katarina selbst einschätzte, sich stets unermüdlich mühte, das Beste aus ihr herauszuholen. Ihre Eltern ermöglichten ihr nicht nur den Start auf den blanken Kufen — die Mutter gab dem Drängen der vierjährigen Tochter nach und brachte sie zur ersten Übungsstunde in den Karl-Marx-Städter Küchwald -, sondern waren in all den Jahren enge Verbündete.
Choreograph Rudi Suchy warf im Ballettsaal und auf dem Eis beim Ringen um künstlerische Meisterschaft sein Können in die Waagschale. Athletiktrainerin Inge Peterwitz betreute Kati bei Konditions-, Kraft- und Fitneßübungen. Die Kostüme, stets genau passend zur jeweiligen Musik und immer mit Bewunderung aufgenommen, entstanden unter den geschickten Händen von Marlitt Eppinger, Kostümdirektorin des Berliner Friedrichstadtpalastes, von Barbara Meyer, Schneidermeisterin beim SCK, und Irene Aigner, Hobbyschneiderin.Kati selbst erinnerte immer wieder daran, daß ihre Siege undenkbar wären ohne dem Können der Mediziner Physiotherapeuten, ohne Kochkunst der Küchenkräfte, die Zuverlässigkeit der Eisarbeiter.Katarina Witt gab 1979 ihr Debüt bei internationalen Titelkämpfen. Bei den Europameisterschaften in Zagreb belegte sie den 14. Rang. Schon drei Jahre später brachte sie von den Höhepunkten jeweils Silbermedaillen mit. In der darauffolgenden Saison 1983 bestieg sie erstmals bei den kontinentalen Meisterschaften das oberste Podest bei der Siegerehrung.
Von diesem Thron konnte sie keine ihrer Konkurrentinnen bis zum Abschluß ihrer Laufbahn verdrängen. ­Im olympischen Winter 1984 triumphierte die Karl-Marx-Städte­rin bei allen drei Höhepunkten, vier Jahre später vollbrachte sie nochmals dieses Kunststück. Auch diese Tatsache machte sie zur Ausnahmeerscheinung.

Der größte Teil ihrer Vorgängerin­nen nahm den Olympiasieg zum Anlaß, um sich vom Wettkampf­geschehen zu verabschieden. Nicht so Katarina, die den Gedanken ans Aufhören Saison für Saison von sich schob. Motivationen gab es auch nach dem Olympiasieg ausreichend. Da war der Reiz des Neuen bei der Er­arbeitung durchgängiger Pro­gramme, da stachelte der zweite WM-Platz 1986 Katis Ehrgeiz zu­sätzlich an. Ein Jahr später bril­lierte sie in Cincinnati mit ihrer glanzvollsten Maria-Darstellung. Scheinbar unbeeindruckt vom ge­rade verklungenen frenetischen Beifall der Amerikaner für ihre Landsmännin Debbi Thomas, die eine großartige Leistung zeigte, lief Kati eine Superkür und holte sich ihren WM-Titel zurück. Nach der Pflicht hatte sie noch auf Rang fünf gelegen. Bewunderung hob diese Aufhol­jagd hervor ebenso wie Katis Ner­venstärke. Neben Kampfgeist trug dieser Wesenszug mehrfach zum ganz großen Erfolg bei. Immer dann, wenn die Situation am kom­pliziertesten war, zeigte sie über­ragende Vorträge. Und diese Eigenschaft half ihr auch bei den Olympischen Spielen in Calgary, als sie sich vom großen Rummel um sie nicht beeinflussen ließ. Katarina selbst meinte einmal, daß sie mit dem Eiskunstlaufen auch zur Freude und Unterhaltung der Menschen beitragen möchte. So trat sie auch nach ihrem letzten Wettkampf, den Weltmeister­schaften 1988 in Budapest, bei ver­schiedenen Schaulaufen und Ver­anstaltungen auf. Auch künftig möchte sie weitere Gelegenheiten nutzen, um den Anhängern ihres so populären Sports mit ihren Tänzen schöne Erlebnisse zu schaffen.

Aus: "Eissterne aus Karl-Marx-Stadt", 01.08.1988, Sportclub Karl-Marx-Stadt

Archivbestand des DDR-Kabinett-Bochum e.V.

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